Mutter, Schwester, Herrscherin. Münzen als Quelle für die Frauen am römischen Kaiserhof.

 

Agrippina d. J. und ihr Sohn Nero auf
einem Denar des Jahres 54 n. Chr.
(RIC I² Nero 2).
Münzkabinett Staatliche
Museen zu Berlin, Objektnr. 18219709

Einführung: Jenseits der Skandalgeschichten.

Die Geschichte meint es nicht gut mit Frauen. Abgesehen davon, dass sie auch in der Antike von weiten Teilen des gesellschaftlich-politischen Lebens ausgeschlossen blieben und äußerst selten einmal politischen Einfluss geltend machen konnten, interessierten sich die ausschließlich männlichen Geschichtsschreiber der Antike kaum für weibliche  Handlungsspielräume. Eine Ausnahme bilden die Frauen, Mütter, Schwestern und Töchter römischer Kaiser. Meistens tauchen sie aber dann in den Berichten auf, wenn sich über ihr vermeintlich unsittliches Verhalten brüskiert oder von ihrer Ermordung berichtet wird. Mit Agrippina der Älteren, ihren Töchtern Livilla und Agrippina der Jüngeren, Caligulas Ehefrau Milonia Caesonia, Claudius‘ Gattin Messalina und Neros Frau Octavia fand in der julisch-claudischen Dynastie eine Vielzahl der Frauen mit engem Verhältnis zum amtierenden Kaiser einen gewaltsamen Tod.

Häufig sind solche Berichte von, gelinde gesagt, aus heutiger Sicht problematischen Erwartungen gegenüber Frauen geprägt. Es ist wohl kein Zufall, dass die politisch aktivste Frau der frühen Kaiserzeit, Caligulas Schwester, Claudius’ Gattin und Neros Mutter Agrippina die Jüngere, besonders übel davonkommt. Neben einigen Morden wird ihr allgemein ein herrschsüchtiger Charakter vorgeworden. Zusätzlich spiegeln die literarischen Quellen für Agrippina ein weiteres klassisches Diffamierungsmuster: Der öffentlich auftretenden Kaiserfrau und -mutter wird unterstellt, dass sie sich nicht nur beim Onkel, ja sogar bei ihrem eigenen Sohn Einfluss durch sexuelle Annäherung verschafft haben soll.

Agrippinas Einfluss ist trotz allem unbestreitbar und wird auch auf römischen Münzen aus der frühen Regierungszeit Neros sichtbar. Tatsächlich konnten die Frauen des Kaiserhauses über enge Kontakte zu Entscheidungsträgern durchaus Einfluss nehmen: Agrippina beispielsweise kannte den wichtigen Finanzbeamten Pallas seit ihrer Kindheit im Haus der Antonia Minor und am Kaiserhof war er einer ihrer engen Vertrauten. Womöglich hängt Agrippinas baldiges Verschwinden von Münzbildern mit der Entlassung des Pallas durch Nero zusammen. Dass Agrippina sich mit einer passiven Rolle nicht abfinden konnte, endete für sie bekanntermaßen tödlich.

Münzen können das teils irreführende Bild der historiographischen Darstellung aufbrechen und wesentlich ergänzen. Auch wenn die Münzbilder keine weibliche Perspektive auf die Kaiserherrschaft bieten können, liefern sie doch authentische Informationen über die Stellung der Frauen in der Außendarstellung der Kaiser, die unabhängig von einer späteren Bewertung oder dem höfischen Klatsch sind – und über die sich bei einer gründlichen Betrachtung der Prägekontexte auch Weiteres ableiten lässt. Für die Erforschung der Rolle der Frauen im Kaiserhaus sind Münzen somit eine wichtige und noch längst nicht ausgeschöpfte Quelle. Die Frage lautet dabei: Wann und vor allem auch wie tauchen Frauen auf diesem Medium kaiserlicher Außendarstellung auf?

Dieser Text entstammt einem Blogbeitrag, der anlässlich der Digitalisierung der Münzsammlung des Lehrstuhls für Alte Geschichte der Universität Mannheim entstanden ist.

Mareile große Beilage (Universität Mannheim)

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