Die direkten Informationen, die zur Einrichtung der römischen Provinz vorliegen, sind äußerst dürftig. Doch gerade die Revers-Legende der „Arabia-Münzen“ hat die Diskussion um die damaligen Vorgänge angeheizt.
Die ersten Fragen, die sich in diesem Kontext stellen, sind die nach dem was, dem wie und dem wo. Handelte es sich um eine friedliche Besetzung oder eine Eroberung? Warum tragen die Münzen diese außergewöhnliche Legende mit adquisita und nicht das übliche capta? Und warum nahm Traian nicht den Siegerbeinamen Arabicus an? Nur weil er nicht persönlich vor Ort war, sondern gleichzeitig den Krieg in Dakien führte? Auch die anderen Quellen geben hierzu nur wenige Informationen. Was aber sicher zu sein scheint ist, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen Römern und Nabatäern kam. In welchem Ausmaß muss jedoch vorerst offenbleiben. Ein weiterer Faktor, der hier eine Rolle spielt, ist die Bezeichnung der neuen Provinz als Arabia und nicht als Nabataea. Dieser Name könnte aus rein pragmatischen Gründen gewählt worden sein, da er sowohl die Gegend um Bosra als auch die gesamte Region bezeichnen konnte. Andererseits hätte damit aber auch eine politische Botschaft gesendet werden können: Die Zeit der Nabatäer war vorbei!
Doch auch das Motiv der Römer für die Eroberung/Besetzung dieses Königtums ist unklar. Drei Theorien werden hierbei insbesondere diskutiert:
1) Das Aussterben der nabatäischen Königsfamilie und das Erben des Reiches durch Rom (für eine kurze Erörterung dieser älteren These vgl. Cimadomo 2018, 259.). Ein Problem hiermit ist, dass durch andere Quellen nabatäische Prinzen belegt sind (z. B. P. Yadin 2, 1. 19). Dennoch würde diese Theorie die Wahl der Formulierung adquisita erklären.
2) Arabia könnte annektiert worden sein, um die Kontrolle über die wirtschaftlich wichtige Weihrauchstraße zu erlangen (z. B. Naster 1983, 167.). Diese Theorie würde die Attribute der Arabia, also das Kamel und das Zimtbündel (?), erklären.
3) Als drittes wird auch die Sicherung der Region als Vorbereitung für den Partherfeldzug in Betracht gezogen (z. B. Eck 2001, 123.). Dies ist aber insofern problematisch, als zum einen in den Quellen keinerlei Bündnis zwischen Parthern und Nabatäern belegt ist und zum anderen dieser Krieg erst deutlich später entbrannte.
Als letzte große Frage ist natürlich die zeitliche Einordnung zu nennen. Cassius Dio setzt die Sache mit Arabia in den gleichen zeitlichen Rahmen wie den zweiten Dakerkrieg 106 n. Chr. Doch erst aus dem Jahr 111 n. Chr. sind römische Meilensteine in der neuen Provinz belegt (PIR2, C 1023 (2)). Die Münzen selbst lassen sich bedauerlicherweise auch nicht genauer datieren. Sie könnten aber Aufschluss über die Entwicklung der Ereignisse geben, insbesondere wenn sich das genaue Verhältnis der Restitutions- zu den Arabia-Münzen klären ließe.
Insgesamt gibt es zu diesem Thema also noch sehr viele offene Fragen. Die Münzen stehen hierbei in einem Wechselspiel mit den übrigen Quellen: Die jeweilige Aussage muss aus den jeweils anderen erschlossen werden. Bei einigen Themen der Geschichte ist dies recht unproblematisch; dann gibt es aber auch solche wie die Sache mit Arabia…
Paul S. Peters (Universität Heidelberg)
Literatur:
Cimadomo, P.: The Controversial Annexation of the Nabataean Kingdom. Levant 50.2 (2018), 258-266.
Eck, W.: Traian. In: Clauss, M. (Hrsg.): Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian. München 22001, 110-124.
Groag, E., Stein, A.: Prosopographia imperii Romani. Saec. I. II. III. Pars II. Berlin/ Leipzig 21936.
Naster, P.: Arabia Adquisita sur les monnaies de Trajan. NAC 12 (1983), 159-169.
Yadin, Y. et al. (Hrsg.): The Documents from the Bar Kokhba Period in the Cave of Letters: Hebrew, Aramaic And Nabataean-Aramaic Papyri. Jerusalem 2002.