In der Renaissance entwickelte sich vor allem in den deutschen Metropolen ein lebendiger Kunstmarkt, auf dem Goldschmiede, Stempelschneider und Medailleure um ein zahlungskräftiges Publikum konkurrierten. Das Aufkommen der Porträtmedaille nördlich der Alpen fiel dabei mit einem gesteigerten Bedürfnis der gesellschaftlichen Eliten zusammen, den eigenen Status in einem dauerhaften Material zu dokumentieren.
Doch nicht nur politische und wirtschaftliche Motive bestimmten die Gestaltung dieses neuen Bildmediums. Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts begann die einsetzende Konfessionalisierung nachhaltigen Einfluss auf die Herstellung und Gestaltung von Medaillen auszuüben. Erinnerungsstücke mit religiösen Motiven stiegen in den sich verhärtenden Fronten zu einem beliebten Instrument auf, den konfessionellen Gegner mit Spott zu überziehen. Sie boten den Gläubigen aber auch die Möglichkeit, das eigene Bekenntnis wirkungsvoll in Szene zu setzen.
Ein neuer Player tritt auf den Plan: das Bürgertum
War das neue Bildmedium zu Beginn in erster Linie noch auf den Adel beschränkt, fand die Medaille ab dem 16. Jahrhundert zunehmenden Anklang bei Angehörigen des vermögenden Bürgertums. In den deutschen Reichsstädten ragten in diesem Zusammenhang vor allem die hier ansässigen Patriziergeschlechter hervor. Seit dem Mittelalter hatten sie es verstanden, ihre herausgehobene Stellung innerhalb ihrer Gemeinden in politisches Gewicht und Teilhabe an der Regierung umzuwandeln. Früh schon eiferten sie den Repräsentations- und Lebensgewohnheiten der adligen und höfischen Welt nach. Hierfür bot sich die Medaille als Medium in besonderer Weise an. In der Frühneuzeit waren es beispielsweise festliche Ereignisse wie Hochzeits- und Gedenkfeiern sowie Amtsjubiläen, die willkommene Anlässe boten, die eigene Person – zumeist mitsamt entsprechenden Ämtern und Würden – selbstbewusst in Szene zu setzen.
Nicht immer lassen sich die Entstehungsbedingungen einer Medaille genau rekonstruieren: Im Falle dieser Medaille erleichtert allerdings die ausführliche Inschrift der Rückseite diesen Schritt. Sie wurde im Jahr 1788 anlässlich des fünfzigjährigen Amtsjubiläums des Schwäbisch Haller Bürgermeisters Nikolaus Friedrich Haspel (1716–1790) angefertigt. Das Brustbild auf der Vorderseite strotzt von bürgerlichem Selbstvertrauen: Es zeigt den Jubilar mit Lorbeerkranz – ein seit der Antike beliebtes Motiv –, umgeben von seinen zahlreichen Titeln in der Umschrift.
Ein besonders prunkvolles Beispiel für eine Porträtmedaille reichsstädtischen Ursprungs ist dieser mehrfach geöste Silberanhänger aus Schwäbisch Hall: Er zeigt auf der Vorderseite ein Brustbild des Ratsherren Peter Firnhaber (1589–1644), der als Mitglied eines der vornehmsten Patriziergeschlechter in das politische Zentrum seiner Heimatstadt vorrückte. Die Medaille von einer aufwendig gestalteten Schweifwerkumrahmung eingefasst.
Weiterführende Literatur
Cupperi, W.; Hirsch, M.; Kranz, A.; Pfisterer, U. (Hrsg.): Wettstreit in Erz. Portätmedaillen der deutschen Renaissance, Berlin: DKV 2013.
Nicolas Schmitt, B.A. (Universität Heidelberg)