Die Göttin Venus (griech. Aphrodite) kennen wir heute als Göttin der Schönheit, Liebe und Verführung. Letzteres passt wenig zum sonst vielfach auf Enthaltsamheit getrimmten Außenbild der Kaisergattinnen und tatsächlich sollte die Bedeutung von Venus in Verbindung mit Frauen des Kaiserhauses außerhalb des Themenfeldes von Emotion und sexueller Liebe gesucht werden. Bereits in der Republik trat Venus unabhängig von ihrer Zuständigkeit im Götterhimmel als Schutzgöttin und mythische Ahnherrin der julischen Familie auf. Caesar ließ ihr als Venus Genetrix einem Tempel in Rom errichten, um auf die göttliche Abstammung seiner Familie aufmerksam zu machen. Als Mutter des Aeneas wurde Venus auch als Stammmutter der Römer*innen verehrt.
Nach Augustus, der sich als divi filius ja eben über den göttlichen Caesar legitimierte, verwendete erst Vespasian Venus wieder als Reversbild für Münzen. Für die flavischen Münzen wurde dabei auch das gleiche Motiv gewählt wie in augusteischer Zeit. Dass auch Julia, die Tochter des Titus deren Name auch noch Verwandtschaft zur julischen Familie suggerierte, mit Venus assoziiert wurde, verwundert da nicht.
Über diesen Aspekt hinaus gab es in der patriarchalischen römischen Gesellschaft auch den Kult der Venus als Venus Verticordia, die von Frauen als Hüterin der Sittsamkeit verehrt wurde. Man sprach der Göttin dabei die Fähigkeit zu, "unzüchtige" Gedanken in keusche zu verwandeln.
Im zweiten Jahrhundert trat Venus auch auf "Frauenmünzen" als Venus victrix, siegreiche Venus auf. In dieser Funktion trägt sie kriegerische Kennzeichen wie Helm, Speer oder victoriola, eine kleine Statue der Siegesgöttin Victoria. Dass diese zuvor nur für die männlichen Heerführer verwendete Darstellungsweise nun auch für Frauen übernommen wurde, ist der zu dieser Zeit außergewöhnlichen Bedrohungslage durch die sog. Markomannenkriege geschuldet. Die Göttin erweiterte hier ihr Bedeutungsspek- trum auch auf Münzentypen der Frauen, die dadurch sinnbildlich in die Verteidigung des Römisches Reiches eingebunden wurden.
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Susanne Börner: Marc Aurel im Spiegel seiner Münzen und Medaillons. Eine vergleichende Analyse der stadtrömischen Prägungen zwischen 138 und 180 n. Chr., Bonn 2012, Kap 4.6., bes. S.283/4 (Venus victrix).
Mareile große Beilage (Universität Mannheim)