Ursprünglich war der Delisch-Attische Seebund eine Allianz von freien Mitgliedern mit Athen als führender Polis. Die Versammlung der Bündner (Bundesversammlung) fand auf Delos statt. Im dortigen Apollon-Tempel wurden auch die Finanzmittel der Bündnispartner aufbewahrt, die sich aus Jahresbeiträgen der Mitglieder speisten.
Die Vormachtstellung Athens (archē) im Bündnis war bereits von Anfang an militärisch wie auch organisatorisch gegeben, nahm aber mit der Zeit immer mehr zu. So verhinderte Athen, dass die anderen Bündnismitgliedern eine eigenständige Außenpolitik betreiben konnte und ahndete Austrittsversuche hart. Auch Eingriffe in die Innenpolitik der anderen Poleis nahmen zu, so versuchten die Athenern ihren Bündnispartnern ihr politisches System, die Demokratie, aufzuzwingen. 454/3 v. Chr. wurden dann die Bündnisgelder nach Athen gebracht und zukünftig dort verwahrt.
Auf diesem Höhepunkt der athenischen Macht wurde nun auch die Bundesversammlung durch die Athener Volksversammlung ersetzt. Damit entschied sie faktisch über alle Bundesgenossenangelegenheiten. Auch Prozesse, die Bürger aus den Bündnisstaaten gegen Athener führten, wurden nun vor dem athenischen Volksgericht ausgetragen. Schließlich setzten die Athener auch ihre Münzen zum verpflichtenden Zahlungsmittel im Herrschaftsbereich des Seebundes ein (dazu mehr auf der Seite "Münz- und Standarddekret") und untergruben damit auch symbolisch ihre Souveränität.
Athen etablierte sich so selbst als Zentrum eines Herrschaftgebietes weit über die eigene Polis hinaus und seine Bürger als herrschende Elite. Die Athener übten Macht und Herrschaft über die Bündnispartner aus. Wie das im Einzelnen aussah, lernst du auf den nächsten Seiten.
Sarah Schachner, B.A. (Universität Freiburg)