eMuseum

N10151 Denar des Volteius
N10222 Denar des Petillius

Der Tempel und seine gesellschaftliche Bedeutung

Der Bau des ersten Kapitolinischen Tempels soll von den beiden etruskischen Königen Tarquinius Priscus und Tarquinius Superbus begonnen, aber erst im Jahr 509 v. Chr. unter dem Konsul Horatius Pulvillus vollendet worden sein (vgl. Tac. Hist. 3,72,2). Damit fällt seine Weihung mit der mythischen Begründung der Republik zusammen, was nicht als Zufall, sondern als wohl konstruierte Absicht der Geschichtsschreibung zu verstehen ist. Sein Ende fand der ursprüngliche Tempel 83 v. Chr. im Zuge des Bürgerkrieges zwischen Sulla und Marius (Tac. Hist. 3,72,3). Bis zu dieser ersten Zerstörung beherbergte der Tempel die Sibyllinischen Bücher, eine Sammlung von Orakelsprüchen (siehe dazu Coarelli 2013, 27). Daneben wurde der Sonderstatus des Tempels durch weitere wichtige Funktionen unterstrichen. So war er gleichsam zentraler Schauplatz bei Kriegserklärungen (vgl. Liv. 33,25,7), der Endpunkt von Triumphzügen (vgl. Liv. 38,48,16) und Ort des ersten Opfers und der ersten Senatssitzung im neuen Jahr (vgl. Liv. 22,1,6). Diese gesellschaftlich sehr wichtigen Ereignisse veranschaulichen die zentrale Bedeutung des Tempels für Rom (siehe Flower 2008, 76 und Coarelli 2013, 26 für weitere Beispiele). Flower, der sich mit der Frage nach der psychologischen Wirkung des Tempelverlustes auseinandergesetzt hat, versteht den Tempel zusätzlich als Ausdruck römischer Macht, was er u.a. damit begründet, dass dort für das aristokratische Selbstverständnis zentrale Ereignisse wie der Triumphzug stattfanden (vgl. Flower 2008, 77). Die immense psychologische Wirkung, die die Zerstörung des Tempels auf das Volk gehabt hat, zeigt sich daran, dass ein Brand des Tempels als bevorstehender Untergang des Imperiums gedeutet wurde (vgl. Tac. Hist. 4,54). Im Umkehrschluss lässt sich die Tatsache, dass der Tempel immer wieder an gleicher Stelle errichtet wurde, so erklären, dass der Tempel als Garant für Sicherheit und Stabilität gesehen wurde (vgl. dazu auch Flower 2008, 74-92).

 

Niklas Bettermann & Victoria Klein